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The 2014 edition of Carl von Ossietzky Prize is awarded to Irina Shervakova, a Head of Educational Youth Programme of Russian Human Rights Group MEMORIAL.

The Carl von Ossietzky Prize for contemporary history and politics is awarded by the city of Oldenburg every two years for individual works, complete works or individuals which or who deal in an outstanding manner with the life and work of Carl von Ossietzky or the resistance against national socialism.

The prize can also be awarded to works or persons focusing on democratic tradition and democracy in Germany today as well as political and contemporary historical topics in the spirit of Carl von Ossietzky.


Carl-von-Ossietzky-Preis 2014 geht an Dr. Irina Scherbakowa

Dr. Irina Scherbakova. Bild: Privat
Bild: Privat

Der Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg für Zeitgeschichte und Politik des Jahres 2014 wird nach einstimmigem Votum der unabhängigen Jury der russischen Wissenschaftlerin Dr. Irina Scherbakowa zuerkannt. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird am 4. Mai 2014 im Rahmen eines Festaktes in Oldenburg verliehen. Am 5. Mai wird die Preisträgerin in einer öffentlichen Abendveranstaltung um 19.30 Uhr im Kulturzentrum PFL, Peterstraße 3, mit Prof. Dr. Wolfgang Eichwede über das Thema „Russlands Weg wohin? Eine Großmacht zwischen Apathie, Protest und Führerkult“ diskutieren.

Die Jury schreibt in ihrer Begründung: „Als Historikerin und Publizistin erhält die promovierte Germanistin den Preis für ihren großen Einsatz, mit dem sie sich mutig, leidenschaftlich und mit profunder Sachkenntnis seit Jahrzehnten für die historische Erforschung der wechselvollen, zerrissenen Geschichte ihres Landes im 20. Jahrhundert einsetzt und als Brücke der Verständigung zwischen Russland und Deutschland zu wirken sucht. Neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit zeichnet sie ihr außerordentliches zivilgesellschaftliches Engagement aus. Es gilt nicht nur der Aufarbeitung der individuellen Gewalt- und Leidenserfahrungen der Betroffenen, sondern gleichermaßen auch den damit einhergehenden aktuellen Menschenrechtsfragen in der Russischen Föderation.“

Der Jury gehören an die Literaturwissenschaftlerin und Jury-Sprecherin Prof. Dr. Sabine Doering (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg), der Soziologe und Konfliktforscher Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer (Universität Bielefeld), der Journalist Dr. Gunter Hofmann (Die ZEIT, Berlin), der freie Journalist, Senior Consultant und ehemalige Direktor des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, Friedrich-Wilhelm Kramer (Hamburg) sowie der Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow (Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt Universität zu Berlin).

Die Historikerin, Publizistin und Oral-History-Expertin Dr. Irina Scherbakowa wurde 1949 als Tochter jüdisch-kommunistischer Eltern in Moskau geboren. Den Glauben an die Reformierbarkeit des Kommunismus hatten ihre Eltern seit dem Ungarn-Aufstand 1956 verloren. Bereits in früher Kindheit wurde sie durch die eigene wechselvolle Familiengeschichte, insbesondere die Erzählungen ihrer Großmutter, für die Geschichte ihres Landes sensibilisiert. Nach ihrer Schulzeit studierte Irina Scherbakowa an der Moskauer Universität Germanistik. 1972 schloss sie ihr Studium mit Staatsexamen und anschließender Promotion ab. In den folgenden Jahren arbeitete sie hauptsächlich als Übersetzerin deutscher Belletristik und als freie Journalistin. Darüber hinaus war sie als Redakteurin für die Literaturzeitschriften „Sowjetliteratur“, „Literaturnaja gaseta“ und „Nesawissimaja gaseta“ tätig.

Seit Ende der 1970er Jahre begann Irina Scherbakowa sich intensiv mit der Vergangenheit ihres Landes, insbesondere mit dem Stalinismus, der Zeit des Großen Terrors der 1930er Jahre und dem Gulag-Lagersystem zu befassen. Dazu führte sie zahlreiche Interviews mit Opfern und deren Angehörigen durch. Diese persönlichen Erzählungen der Zeitzeugen zeichnete sie auf Tonbänder auf, um sie für die zukünftigen Generationen zu bewahren. Seit den Archivöffnungen in der Zeit der Perestroika der 1990er Jahre folgten intensive Recherchen in Archivdokumenten und Verhörprotokollen. Hierdurch entstanden erste Kontakte zu der von Andrej Sacharow 1988 gegründeten Menschenrechtsorganisation „Memorial“. Bis heute ist Scherbakowa Leiterin der Bildungsprogramme von Memorial und koordiniert Oral History Projekte sowie einen alljährlichen russlandweiten Schülerwettbewerb zur Geschichte Russlands.

Ihre universitäre Laufbahn begann Scherbakowa 1992 als Dozentin an der Russischen Staatlichen Universität für humane Wissenschaften Moskau. Dort lehrte sie bis 2006 im Bereich Oral History. Fellowships am Wissenschaftskolleg zu Berlin und am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien sowie Gastprofessuren an den Universitäten in Salzburg, Bremen und Jena folgten. 2012 wurde sie Fellow am Institute for Advanced Studies FRIAS in Freiburg.

Irina Scherbakowa ist darüber hinaus Kuratoriumsmitglied der Gedenkstätte Buchenwald, der Aktion Sühnezeichen und der Gräfin Dönhoff-Stiftung. Als Autorin und Herausgeberin hat sie zahlreiche Bücher zu den Themen Stalinismus, Gulag und Gedächtnisproblematik veröffentlicht. Auf Deutsch sind unter anderem erschienen „Moskauer Küchengespräche“ (Styria, 1997, mit Susanne Scholl), „Nur ein Wunder konnte uns retten. Leben und Überleben unter Stalins Terror“ (Campus, 2000) und „Zerrissene Erinnerungen. Der Umgang mit Stalinismus und Zweitem Weltkrieg im heutigen Russland“ (Wallstein, 2010).

Zudem ist Dr. Irina Scherbakowa gemeinsam mit Prof. Dr. Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, verantwortlich für die wissenschaftliche Gesamtleitung der Ausstellung „GULAG. Spuren und Zeugnisse 1929-1956“, die aktuell im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zu sehen ist.

Für ihr großes Engagement wurde Irina Scherbakowa bereits mit mehreren Auszeichnungen bedacht. Im Jahr 1994 erhielt sie den Deutschen Katholischen Journalistenpreis. 2005 wurde sie mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland geehrt. 2013 ist sie mit der Medaille der Menschenrechtsbeauftragten der Russischen Föderation ausgezeichnet worden.



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